Freitag, 8. März 2013

Es werde Licht....


Nun war es also geschafft, Kollodium-Nassplattenfotografie zum Ersten. Das erste Bild war sprichwörtlich im Kasten bzw. auf der Glasplatte, und ich hatte mein zaghaft gestecktes Ziel, ein deutlich erkennbares Bild mit dem Verfahren zu erstellen, schon erreicht. Ich könnte nun wieder damit aufhören. Dass es anders kommen wird, wusste ich aber schon vorher. 

Wenn ich einmal etwas anfange, bringe ich es auch zu Ende. Nun mussten echte Menschen als Modelle her, ich bin ja schliesslich in erster Linie Portraitfotograf. Mein Sohn war so frei, als erster Mensch vor meinem Holzkasten, der Century Studio 4a Kamera von 1923,  Platz zu nehmen. Als langjähriger Portraitfotograf weiss ich natürlich, wie man auch ein Kollodium-Nassplatten-Portrait korrekt ausleuchtet. Viel Licht, möglichst im UV-nahen Spektrum, ist von Nöten, das hatte ich vorher schon in Erfahrung gebracht. Dafür hatte ich ja auch die echten 1320 Watt Energiesparlampen zum Cluster gebündelt zusammengebastelt und aufgestellt. 

Und das Teil macht hell, verdammt hell, ein Nuklearblitz ist eine Funzel dagegen. Mein sehr kleines nur 3m breites Fotostudio erstrahlt im Licht und mein Sohn war rundherum so richtig schön ausgeleuchtet. Und das, obwohl das Licht nur von einer Seite geführt wurde. 

Denkste! Was nach der ersten Probeaufnahme auf der entwickelten Glasplatte  erschien, war alles andere als hell. Tiefste Abgründe taten sich in den Schattenbereichen auf. Wo verdammt nochmal war das ganze Licht hin, welches ich in natura vor mir sah? Das hatte doch an der Plastikpuppe noch etwas ausgeglichener ausgesehen. Die menschliche Haut schluckt doch mehr UV-Licht, als das Plastik, soviel war klar. Ich bin zwar ein grosser Fan von definierten Schatten, aber das hatte ich so nicht erwartet. Normalerweise bekommt man unter Studiobedingungen annähernd das auf den Sensor der Digitalkamera, was auch zu sehen ist. In der Kollodium-Nassplattenfotografie sollte diese Regel plötzlich nicht mehr gelten? Das liess mir keine Ruhe.  Ich bin leidenschaftlicher Hobbywissenschaftler und nun gab es etwas zu erforschen.


Dazu muss man erst einmal wissen, dass Kollodium sehr lichtunempfindlich ist, je nach Rezept stellt sich eine Empfindlichkeit von ca. 0.5 ISO ein. Nun kommt erschwerend hinzu, dass Kollodium (auch wieder von der Mischung abhängig) nur in bestimmten Spektralbereichen des Lichtes sensibel ist. 

Die höchste Empfindlichkeit liegt bei ca. 420 nm, das ist im blau-violetten Bereich des sichtbaren Lichtspektrums. Die Energiesparlampen mit einer Lichtfarbe 5500-6500 Kelvin strahlen genug Licht in diesem Bereich ab, Halogenlampen, selbst mit 2000  Watt und mehr, sind wegen des hohen Rotanteiles im Licht völlig ungeeignet. Nun ist es im Raum zwar sehr hell, belichtungswirksam sind aber nur die genannten Strahlen um 420nm, und hier liegt nun der Hund begraben. Alles, was wir im Raum als Licht sehen ist von Wänden und Gegenständen reflektiertes Licht...und das...ihr ahnt es schon...enthält je nach Umgebungsfarbe nur noch einen sehr geringen Anteil Licht im Bereich von 420nm. Das ist der Grund, weshalb bei der Kollodium-Nassplattenfotografie die Schattenbereiche bei der Studio-Fotografie mit künstlichem Licht so gnadenlos absaufen.

Wieviel es ausmacht, wenn man die Hauptlichtquelle auch nur um 20° um das Model herum nach links hinten positioniert, könnt ihr am folgenden Beispiel gut sehen. Es ist bei jedem Fotoshooting eine Gradwanderung mit Licht und Schatten, in diesem Fall gibt der definierte Schatten dem Bild Charakter, es geht aber auch schnell nach hinten los und es ist für mich nach wie vor nur schwer vorhersehbar.

Fotostudios vor 150 Jahren waren sogenannte Skylight-Studios mit riesigen abschattbaren Glasflächen an der Decke, nicht zuletzt weil man damals noch keine Lampen hatte, die leistungsfähig genug waren, um damit Kollodium zu belichten. Dank der grossflächigen lichtdurchfluteten Räume sind diese Studios bis heute das Optimum für jeden Indoor-Kollodiumfotografen. Will man aber, wie ich, vom Tageslicht unabhängig sein, muss man notgedrungen aufrüsten. Ein Silberreflektor als Aufheller tut schon einmal gute Dienste, jedoch sind die Ergebnisse nach wie vor nur schwer vorhersehbar. Besser wäre eine zweite oder dritte Studioleuchte...oder vielleicht doch eine Blitzanlage, die leistungsfähig genug ist? Benötigt werden je nach Lichtformer für ein korrekt belichtetes und gleichmässig ausgeleuchtetes Portrait ca. 3500 Wattsekunden Leistung für das Hauptlicht und 2500 WS für die Streiflichter. Ist ne ganze Menge Holz, so etwas kennt man nur aus Grossstudios der Automobilfotografie. Ich hatte zur Jahreswende einen Hensel Tria 6000WS Generator mit entsprechendem Blitzkopf zum Testen im Studio...und ich habe Ozon gerochen und Blut geleckt, auch wenn ich etwas Angst habe, meine Modelle damit in Staub zu verwandeln...Gestalten der Nacht, nehmt euch in acht!




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