Nun war es also geschafft, Kollodium-Nassplattenfotografie
zum Ersten. Das erste Bild war sprichwörtlich im Kasten bzw. auf der Glasplatte,
und ich hatte mein zaghaft gestecktes Ziel, ein deutlich erkennbares Bild mit
dem Verfahren zu erstellen, schon erreicht. Ich könnte nun wieder damit
aufhören. Dass es anders kommen wird, wusste ich aber schon vorher.
Wenn ich
einmal etwas anfange, bringe ich es auch zu Ende. Nun mussten echte Menschen
als Modelle her, ich bin ja schliesslich in erster Linie Portraitfotograf. Mein
Sohn war so frei, als erster Mensch vor
meinem Holzkasten, der Century Studio 4a Kamera von 1923, Platz zu nehmen. Als langjähriger
Portraitfotograf weiss ich natürlich, wie man auch ein Kollodium-Nassplatten-Portrait
korrekt ausleuchtet. Viel Licht, möglichst im UV-nahen Spektrum, ist von Nöten,
das hatte ich vorher schon in Erfahrung gebracht. Dafür hatte ich ja auch die echten 1320 Watt
Energiesparlampen zum Cluster gebündelt zusammengebastelt und aufgestellt.
Und
das Teil macht hell, verdammt hell, ein Nuklearblitz ist eine Funzel dagegen. Mein sehr kleines nur 3m breites Fotostudio erstrahlt im Licht und mein Sohn war rundherum so richtig schön
ausgeleuchtet. Und das, obwohl das Licht nur von einer Seite geführt wurde.
Denkste! Was nach der ersten Probeaufnahme auf
der entwickelten Glasplatte erschien,
war alles andere als hell. Tiefste Abgründe taten sich in den Schattenbereichen
auf. Wo verdammt nochmal war das ganze Licht hin, welches ich in natura vor mir
sah? Das hatte doch an der Plastikpuppe noch etwas ausgeglichener ausgesehen. Die menschliche Haut schluckt doch mehr UV-Licht, als das Plastik, soviel war klar. Ich
bin zwar ein grosser Fan von definierten Schatten, aber das hatte ich so nicht erwartet. Normalerweise
bekommt man unter Studiobedingungen annähernd das auf den Sensor der Digitalkamera,
was auch zu sehen ist. In der Kollodium-Nassplattenfotografie sollte diese Regel
plötzlich nicht mehr gelten? Das liess mir keine Ruhe. Ich bin leidenschaftlicher
Hobbywissenschaftler und nun gab es etwas zu erforschen.
Dazu muss man erst einmal wissen, dass Kollodium sehr lichtunempfindlich ist, je nach Rezept stellt sich eine Empfindlichkeit von ca.
0.5 ISO ein. Nun kommt erschwerend hinzu, dass Kollodium (auch wieder von der
Mischung abhängig) nur in bestimmten Spektralbereichen des Lichtes sensibel ist.
Die höchste Empfindlichkeit liegt bei ca. 420 nm, das ist im blau-violetten
Bereich des sichtbaren Lichtspektrums. Die Energiesparlampen mit einer
Lichtfarbe 5500-6500 Kelvin strahlen genug Licht in diesem Bereich ab,
Halogenlampen, selbst mit 2000 Watt und
mehr, sind wegen des hohen Rotanteiles im Licht völlig ungeeignet. Nun ist es
im Raum zwar sehr hell, belichtungswirksam sind aber nur die genannten Strahlen
um 420nm, und hier liegt nun der Hund begraben. Alles, was wir im Raum als Licht
sehen ist von Wänden und Gegenständen reflektiertes Licht...und das...ihr ahnt
es schon...enthält je nach Umgebungsfarbe nur noch einen sehr geringen Anteil Licht
im Bereich von 420nm. Das ist der Grund, weshalb bei der Kollodium-Nassplattenfotografie
die Schattenbereiche bei der Studio-Fotografie mit künstlichem Licht so
gnadenlos absaufen.
Fotostudios vor 150 Jahren waren sogenannte Skylight-Studios
mit riesigen abschattbaren Glasflächen an der Decke, nicht zuletzt weil man
damals noch keine Lampen hatte, die leistungsfähig genug waren, um damit
Kollodium zu belichten. Dank der grossflächigen lichtdurchfluteten Räume sind
diese Studios bis heute das Optimum für jeden Indoor-Kollodiumfotografen. Will
man aber, wie ich, vom Tageslicht unabhängig sein, muss man notgedrungen
aufrüsten. Ein Silberreflektor als Aufheller tut schon einmal gute Dienste,
jedoch sind die Ergebnisse nach wie vor nur schwer vorhersehbar. Besser wäre eine
zweite oder dritte Studioleuchte...oder vielleicht doch eine Blitzanlage, die
leistungsfähig genug ist? Benötigt werden je nach Lichtformer für ein korrekt
belichtetes und gleichmässig ausgeleuchtetes Portrait ca. 3500 Wattsekunden
Leistung für das Hauptlicht und 2500 WS für die Streiflichter. Ist ne ganze
Menge Holz, so etwas kennt man nur aus Grossstudios der Automobilfotografie. Ich
hatte zur Jahreswende einen Hensel Tria 6000WS Generator mit entsprechendem Blitzkopf zum
Testen im Studio...und ich habe Ozon gerochen und Blut geleckt, auch wenn ich etwas Angst habe, meine Modelle damit in Staub zu
verwandeln...Gestalten der Nacht, nehmt euch in acht!
Andreas Reh - Photography on Facebook
Very nice work! Great!
AntwortenLöschenThank you :-)
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